Der Molkenmarkt Berlin ist Gegenstand eines seit einem Jahr laufenden Wettbewerbs, der die städtebauliche und architektonische Verfasstheit eines neuen Quartiers in zentraler und historisch bedeutsamer Lage bestimmen soll. Der Ort, ehemals Keimzelle der Doppelstadt Cölln-Berlin, wurde seit dem Mittelalter vielfach überformt und war im 19. und 20. Jahrhundert u.a. durch die Einfügung von Großstrukturen sowie durch Kriegszerstörung und die autogerechte Modernisierung umfassend transformiert worden. 

Der Wettbewerb ist einerseits an den Herausforderungen der Gegenwart orientiert und definiert mit sozialer wie ökologischer Nachhaltigkeit, Lebendigkeit und Durchmischung Leitlinien von großer Relevanz. Er verfolgt im Festhalten an einem existierenden B-Plans andererseits gestalterische Ideen, die mit kritischer Rekonstruktion, Stadtreparatur oder der Vorstellung der europäischen Stadt umschrieben werden können. Diese Vorgaben übernehmen mit dem Planwerk Innere Stadt Prinzipien einer in den 90er-Jahren dominierenden, aber nicht unstrittigen Auslegung einer ‚kritischen Stadtreparatur.‘ Heutigen Herausforderungen soll im Rahmen des Wettbewerbs somit innerhalb vordefinierter Gestaltungsrichtlinien begegnet werden, die Ergebnis ideeller Zielsetzungen und theoretischer Auseinandersetzungen des letzten Quartals des 20. Jahrhunderts sind. Diese ambivalente Ausgangslage soll im Rahmen des Seminars reflektiert werden.

In dem in Berlin veranstalteten Kompaktseminar nähert sich das Seminar sowohl in Form von Stadtspaziergängen als auch in Form von Lektüre der Formgebung der ahistorischen Stadtrekonstruktion an, die über Berlin hinaus zu einem zentralen Instrument vorgeblich behutsamer Stadterneuerung wurde und der Privatisierung und Homogenisierung des urbane Raums Vorschub gab. Das Seminar diskutiert anhand zeitgenössischer Theorie und Kritik sowie wissenschaftlicher Reflexionen die Vorstellung der europäischen Stadt und die Entwicklung des Phänomens ‚Stadtreparatur‘ sowie im Zusammenhang mit dem Planwerk Innere Stadt deren restaurative Tendenzen und Fokus auf ein Stadtbürgertum. Diesem Modell werden moderne, postmoderne und zeitgenössische Positionen gegenübergestellt, deren Entwurfspraxis auf der Annahme beruht, dass es für einen wirklich urbanen Raum einer tatsächlichen Heterogenität bedarf, die sich auch gestalterisch niederschlägt. 

Das Seminar findet in der Kompaktwoche statt und kann unabhängig vom Projekt ‚Fast Fwd: Molkenmarkt‘ besucht werden, es ist jedoch in erster Linie als Begleitseminar zu diesem Vertical Studio angelegt.