Seit einiger Zeit wird immer wieder angemahnt, die enge Verstrickung von „Wissenschaft und Macht, von Wissenschaft und Disziplin“ nicht zu „bagatellisieren oder tabuisieren“, sondern sie „ausdrücklich zum Gegenstand“ der eigenen Forschung zu machen (Rieger-Ladich, Rohstock & Amos 2019, S. 9). Statt eine Disziplingeschichte zu betreiben, die sich auf Gedanken und Ideen als kanonisch anerkannter Werke und Denker stützt und auf diese Weise disziplinäre Identität stiftet, setzt sich eine reflexive Disziplingeschichte selbstkritisch und breit kontextualisierend mit ihren eigenen (sozialen) Entstehungsbedingungen, machtvollen institutionellen und personellen Verstrickungen sowie blinden Flecken auseinander. In dem Seminar nehmen wir die Verstrickung insbesondere der Vertreter:innen der sog. Geisteswissenschaftlichen Pädagogik in das NS-Regime in den Blick. Indem nicht nur die zwölf Jahre der NS-Diktatur, sondern auch die Jahre der Weimarer Republik sowie die ersten Nachkriegsjahrzehnte der Bundesrepublik betrachtet werden, soll die schwierige Frage nach den Handlungsspielräumen von Disziplinvertreter:innen in einer Diktatur ausgelotet werden. Behandelt werden drüber hinaus auch theoretische und methodische Fragen der Erforschung der Disziplingeschichte der Erziehungswissenschaft in der NS-Zeit.