„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“ – so
soll Matthias Claudius, eine deutscher Dichter des 18./19. Jhs. einmal
formuliert haben. Tatsächlich ist die Reise in ihrer Nähe zu Abenteuernarrativen
immer schon ein bevorzugtes Thema der Erzählliteratur gewesen. In diesem Sinn
beinhalten geographische Bewegung und Aufenthalt in fremden Ländern auch die Begegnung
mit anderen Kulturen und das Durchlaufen von Lernprozessen. Die Erzählliteratur
ist in dieser Hinsicht häufig konservativ – dies ist bemerkenswert, wenn man
auf der anderen Seite den Aufstieg des Erholungsurlaubs und des Massentourismus
im industriellen Zeitalter berücksichtigt. In der Erzählprosa des spanischen
Schriftstellers Enrique Vila-Matas (geb. 1948) ist die Reise ein Leitmotiv, das
es im hier angedeuteten Rahmen zu erläutern gilt. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass die klassischen Themen des Reiseberichts auf eine neue Weise aufbereitet
und dabei nicht selten ironisch gebrochen werden. Der erste Roman von Vila-Matas
(El viaje vertical, 1999) führt uns
nach Portugal, genauer: schließlich nach Madeira, der zweite nach Kassel (Kassel no invita a la lógica, 2014),
wobei die documenta 13 im Mittelpunkt der Ausführungen steht. Dies bietet nicht
nur Gelegenheit, Erkenntnisse über zeitgenössische Kunst zu gewinnen, sondern
auch über uns selbst als Deutsche – im Spiegel eines spanischen Betrachters.