Die Institution des öffentlichen Kunstmuseums bildet seit ihrer Entstehung im 18. Jahrhundert einen Fixpunkt des jeweils zeitgenössischen Kunstverständnisses und der sich wandelnden Ansprüche an die Bildung ihrer Besucher*innen. Der Wechsel dieser Ideale schreibt dabei eine Geschichte des Museums, die von ständigen Krisen und Debatten um seine Erneuerung geprägt ist und normative Umbrüche in der Gesellschaft anzeigt. Eine der umfassendsten Krisen des Museums entfaltete sich im Kontext der gesellschaftlichen Spannungsfelder der europäischen Nachkriegsgesellschaft der 1960er und 70er Jahre und den Auswirkungen der global agierenden 1968er-Bewegung. Das Kunstmuseum bildete als Inbegriff des unnahbaren „Musentempels“ den ersten und prominentesten Ansatzpunkt der internationalen Museumskritik, die die intransparenten Machtstrukturen seiner Organisation, seinen fehlenden Gegenwartsbezug, und die architektonischen sowie psychologischen Schwellen beklagte, die das Kunstmuseum im Zuge seiner historischen Prägung durch das Bildungsbürgertum gegenüber bildungsfernen Gesellschaftsgruppen aufgebaut hatte. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu legte 1966 die erste kunstsoziologische Studie zum Besucher*innenverhalten im Museum vor, die offenlegte, dass unter jenen Bedingungen keine gleichberechtigte Teilhabe an Kultur möglich und die Institution vor dem Hintergrund der Demokratisierungsbestrebungen von 1968 dringend reformbedürftig war. Unter dem Schlagwort der »gesellschaftlichen Relevanz« wurde dem Museum als solches eine Schlüsselposition in den Reformbestrebungen nach 1968 zugesprochen, was in einer sowohl Disziplinen als auch Nationen übergreifenden Debatte über die Zukunft der Institution mündete.

Das Seminar will Einblick in diesen besonderen Abschnitt der neueren Museumsgeschichte gewähren und anhand von ausgewählten Quelltexten einige Positionen des damaligen Museumsdiskurses erarbeiten. Es richtet dabei den Fokus auf das eigene Lese- bzw. Interpretationsverhalten und die Formulierung von Fragen an das Material. Die Studierenden werden durch die Vorbereitung und Mitgestaltung der Diskussion im Plenum darin geschult, eigene Fragestellungen zu entwickeln, die anhand des Textes argumentativ bearbeitet werden können und auf die Konzeption einer möglichen Hausarbeit vorbereiten.

Für Studienanfänger*innen und Fortgeschrittene

Teilnahmevoraussetzungen: Regelmäßige Anwesenheit, Vor- und Nachbereitung einer Diskussion (Genauere Informationen werden bei der ersten Sitzung bekannt gegeben).

Wichtig: Bitte schreiben Sie sich in den zugehörigen Moodle-Kurs ein, um aktuell darüber informiert zu werden, ob das Seminar online oder in Präsenz stattfindet.

BA 2.1: IV b; IV c; V b; V c; VI a

MA 2.0: IV 2; V 2