Sit-in, Go-in, Love-in, Streik, Besetzung und Demonstration: Mit spielerisch-phantasievollen, künstlerisch-ästhetischen und politisch-revolutionären Protestformen trugen die sogenannten 1968er in den Nachkriegsdekaden ihren Unmut gegen rigide Sexualmoral, „verkrustete“ gesellschaftliche und institutionelle Strukturen, Autoritäten aller Art, Krieg, Kapitalismus, politische Entscheidungen und das „Beschweigen“ der nationalsozialistischen Vergangenheit auf die Straße und in die Hörsäle der jungen Republik. Spektakuläre Inszenierungen, wie die Enthüllung des Banners „Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren“, mit dem Studierende der Universität Hamburg 1967 die im vollen Ornat zur Rektoratsübergabe schreitenden Ordinarien düpierten, sind bis heute im kulturellen Gedächtnis der bundesrepublikanischen Gesellschaft fest verankert – und werden nicht zuletzt zu jedem Geburtstag der „Revolte“ abgerufen, aufgefrischt und aktualisiert. „1968“ gerät dabei oft zu einer Chiffre für den Umbruch, der sich auch und vor allem an den Universitäten manifestiert habe. Während die einen durch „68“ die Entstehung „roter Kaderschmieden“ und Leistungsnivellierung an den Hochschulen des Landes befürchteten, sahen andere durch den Protest einen längst überfälligen Umbau der Universitäten und eine Demokratisierung der Wissenschaft angestoßen. In der Veranstaltung gehen wir insbesondere der Frage nach, in welchem Verhältnis die sogenannte Studierendenrevolte zu den umfassenden Hochschulreformen stand, die in der Bundesrepublik in den Nachkriegsjahrzehnten eingeleitet wurden. Neben verschiedenen internationalen Forschungsansätzen, die ein je unterschiedliches Licht auf die ‚Revolte‘ werfen, werden wir uns auch mit Archivquellen sowie (audio)visuellen Quellen beschäftigten – und einen Blick nach Kassel riskieren, wo in den bewegten ‚langen 1960er Jahren‘ eine Hochschule neu gegründet wurde.

Literatur

Einführende Literatur

  • Rohstock, Anne (2020). „68“, die Universität und die Hochschul- und Bildungsreformen, in: Sager, Christin/Baader, Meike-Sophia (Hrsg.): 1968 – Kontinuitäten und Diskontinuitäten einer kulturellen Revolte. Frankfurt am Main: Campus.
  • Cornils, Ingo (2016). Writing the Revolution. The Construction of "1968" in Germany. Rochester: Camden House.