Heute, wo die Klimaerwärmung spürbar, die Energieversorgung unsicher und die planetaren Grenzen erreicht sind, ändert sich die Rolle des Architekturschaffenden. Architektur beschränkt sich nicht mehr auf die Realisierung von Projekten, sondern muss die Auswirkungen auf den Stoffkreislauf des Ökosystems miteinbeziehen.


Das Seminar stellt die heute gängige Abrisspraxis kritisch in Frage. Es beleuchtet die historische Entwicklung des Phänomens von den großflächigen Durchbrüchen Georges-Eugène Haussmanns in Paris ab 1853 über die modernistische tabula rasa-Stadtplanung bis zur Gegenwart. Wir nehmen das diskursive Beziehungsgeflecht von Hygiene, (polizeitechnischer) Sicherheit, Finanzialisierung und Rassismus in den Blick, welche die Methode Abriss-Neubau prägt, sowie kritische künstlerische Position wie Gordon Matta-Clark (Anarchitecture) oder Robert Smithson (De-Architecture). In mehreren Case Studies von Abrissen in Kassel untersuchen wir unsere unmittelbare gebaute Umwelt. Ziel hierbei ist, eine Karte von geplanten und durchgeführten Abrissen zu erstellen.

Im Jahr 2023 feiert der FB06 Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung der Uni Kassel sein 50-jähriges Jubiläum. Dafür wird es eine Ausstellungsreihe im ASL Neubau geben.


Das Seminar "Ausstellung Burckhardt, Herzog, Minke" nimmt die drei wichtigen Akteure der Frühphase der Gesamthochschule Kassel Lucius Burckhardt, Thomas Herzog und Gernot Minke in den Blick. Im Fokus stehen progressive Ansätze des ökologischen und sozialen Bauens, die vor dem Hintergrund der aktuellen Klimakrise und gesellschaftlichen Spannungen von besonderer Aktualität sind. Dabei werden Themen wie Bauen mit Lehm, Bauen mit lebenden Pflanzen, Low-Cost Bauen, pneumatische Konstruktionen, Solares Bauen, Energieeffizientes Bauen sowie Planungskritik, Weiterbauen im Bestand, Landschaftstheorie thematisiert. 

Für das Seminar "Ausstellung Burckhardt, Herzog, Minke" suchen wir ich 2-3 engagierte Studierende, die für zusätzliche 3 Credits (ohne Benotung) die Mitkonzeption und Organisation der Ausstellung übernehmen. Es baut auf dem Seminar 3x3 – Ökologisches Bauen seit den 1970er Jahren im Sommersemester 2022 auf, eine vorangegangene Teilnahme an dem Seminar ist jedoch nicht zwingend. 

Die Ausstellung wird am 12. Dez. 2022 eröffnen und ist damit die erste Ausstellung in der Reihe ASL 50. Es gibt ein Budget für die Gestaltung/Architektur sowie für zwei Veranstaltungen vorhanden. 

Bauvisiere sind räumliche Darstellungen von Gebäuden im Masstab 1:1. Mit baulichen Mitteln werden prägende Kanten der Baukubatur am realen Bauplatz errichtet. In der Schweiz ist dies ein üblicher Teil jedes Bauantragsverfahrens, um vor Ort Betroffenen die Raumwirkung eines projektierten Neubaus zu vermitteln. In Deutschland werden Bauvisiere nur in anspruchsvollen Umgebungen eingesetzt, zB. in Freilichtmuseen. Museumshäuser mit ihrer individuellen Geschichte werden dort nicht isoliert präsentiert, sondern in eine Kulturlandschaft  eingebunden. Als Design-Build Workshop soll die Setzung eines Objekts in einen musealen Kontext durchgeführt werden. Das Bauvisier dient uns als Instrument, mit dem wir die Setzung präzisieren und überprüfen. Es handelt sich dabei um eine historisch wertvolle Holzbaracke, die Studierende unseres Fachgebiets selbst demontiert haben. Sie soll in die Sammlung des Freilandmuseums Oberpfalz aufgenommen werden. Der nachzustellende Baukörper soll im laufenden Prozess räumlich justiert und verschoben werden können. Dies soll sich zeichnerisch, im städtebaulichen Volumenmodell (Archicad 3D) und real abspielen. Das Volumen der Baracke werden wir in einem dreitägigen Workshop im Freilandmuseum Oberpfalz als Lattengerüst nachbilden. Dabei interessiert uns die dadurch mögliche Darstellung des Objekts in seiner Umgebung ebenso wie das kontextuelle Zusammenspiel von Innen- und Aussenraum. Indem wir das Bauvisier praktisch einsetzen, erkunden wir auch die Möglichkeiten die es uns als Instrument und Entwurfswerkzeug jenseits der gängigen Formen von CAD-Visualisierung und massstabsverkleinerten Modellen bieten kann.

 

Ablauf:

 

1)     Zwei Seminartermine (1. als onlineveranstaltung 02. Dezember, 14:00h, 2. Termin wird noch angekündigt) Einführung zum Hintergrund des Barackenprojekts, Kurzbeiträge zu verschiedenen Möglichkeiten der 1:1 Simulation, Was ist ein Bauvisier? Herstellungstechniken.

2)     3-tägiger Workshop vor Ort, 28. Februar – 02. März 2023, Veranstaltungsort und Kooperationspartner ist das Freilandmuseum Oberpfalz, 92507 Nabburg. https://www.freilandmuseum-oberpfalz.de/

 


Seit einem Jahr läuft ein Wettbewerb zum Molkenmarkt Berlin, der auf Basis des seit Mitte der 90er-Jahre entstanden Planwerks Innere Stadt die städtebauliche Form des neu entwickelten innerstädtischen Quartiers finden soll. Die in einem Leitlinienpapier zusammengeführten Ideen für eine „zukunftsweisende innenstadttypische Nutzungsmischung in einer resilienten nutzungsoffenen Architektur“ stellen jedoch in Bezug zum Planwerk Innere Stadt neue sowie bisweilen zuwiderlaufende Ansätze dar, welche im Wettbewerb und Werkstattverfahren kaum produktiv werden. Andersherum betrachtet: Die Vorgaben des Planwerks verunmöglichen es Planer:innen sich den ökologischen und sozialen Herausforderungen entwurflich zu stellen, sich zu drängenden Fragen der Gegenwart zu positionieren und auf die baulich äußerst heterogene Situation zu reagieren.

Das Entwurfsstudio nimmt den kurz vor Abschluss stehenden Prozess zum Anlass, die architektonisch-städtebauliche Gestalt des Areals über die Schranken des Wettbewerbs hinaus neu zu denken. Ziel ist es, den Molkenmarkt als nachhaltiges und zukunftsfähiges Quartier zu gestalten, das in Reaktion zu den heterogenen architektonischen Schichten vor Ort entsteht und vielfältigen Vorstellung von der Stadt Ausdruck gibt.

In Form von Szenarios reimaginieren Student:innen aus A, S und L im Vertical Studio die konzeptuelle Anlage des Viertel, entwickeln Abweichungen sowie Störungen zum Planwerk und zeigen exemplarisch Reformpotenziale auf, indem sie die Planungsgrundlage modellhaft aktualisieren.

Integraler Bestandteil des Studios ist eine dreitägige Exkursion nach Berlin, die zum einen der Untersuchung der innerstädtischen Situation des Ortes respektive seiner Nachbarschaften dient und zum anderen zum Austausch mit involvierten Akteuren und weiteren lokalen Experten genutzt wird.


The social dimension of modern architecture is too often overshadowed by the originality of its formal language. Yet the innovative impulse of modernist architectural forms was to a considerable degree predicated upon its avant-garde social program. Under the demographic pressure that resulted in constant and continuous surplus of unskilled workforce, modernist architects and urban planners of the first half of the 20th century propagated the economic and creative use of materials, the rational arrangement of space and the recreational use of color. By focusing on the modernist settlements (Siedlungen), including Siedlung Rothenberg in Kassel, that aimed at solving the urgent housing problem while supplying the working-class population with modern services, leisure and education facilities, the course with explore the social theory behind the modern design experiments and provide students with in-depth historic knowledge of their practical outcome.

The languages of instruction are English and German.


Der Molkenmarkt Berlin ist Gegenstand eines seit einem Jahr laufenden Wettbewerbs, der die städtebauliche und architektonische Verfasstheit eines neuen Quartiers in zentraler und historisch bedeutsamer Lage bestimmen soll. Der Ort, ehemals Keimzelle der Doppelstadt Cölln-Berlin, wurde seit dem Mittelalter vielfach überformt und war im 19. und 20. Jahrhundert u.a. durch die Einfügung von Großstrukturen sowie durch Kriegszerstörung und die autogerechte Modernisierung umfassend transformiert worden. 

Der Wettbewerb ist einerseits an den Herausforderungen der Gegenwart orientiert und definiert mit sozialer wie ökologischer Nachhaltigkeit, Lebendigkeit und Durchmischung Leitlinien von großer Relevanz. Er verfolgt im Festhalten an einem existierenden B-Plans andererseits gestalterische Ideen, die mit kritischer Rekonstruktion, Stadtreparatur oder der Vorstellung der europäischen Stadt umschrieben werden können. Diese Vorgaben übernehmen mit dem Planwerk Innere Stadt Prinzipien einer in den 90er-Jahren dominierenden, aber nicht unstrittigen Auslegung einer ‚kritischen Stadtreparatur.‘ Heutigen Herausforderungen soll im Rahmen des Wettbewerbs somit innerhalb vordefinierter Gestaltungsrichtlinien begegnet werden, die Ergebnis ideeller Zielsetzungen und theoretischer Auseinandersetzungen des letzten Quartals des 20. Jahrhunderts sind. Diese ambivalente Ausgangslage soll im Rahmen des Seminars reflektiert werden.

In dem in Berlin veranstalteten Kompaktseminar nähert sich das Seminar sowohl in Form von Stadtspaziergängen als auch in Form von Lektüre der Formgebung der ahistorischen Stadtrekonstruktion an, die über Berlin hinaus zu einem zentralen Instrument vorgeblich behutsamer Stadterneuerung wurde und der Privatisierung und Homogenisierung des urbane Raums Vorschub gab. Das Seminar diskutiert anhand zeitgenössischer Theorie und Kritik sowie wissenschaftlicher Reflexionen die Vorstellung der europäischen Stadt und die Entwicklung des Phänomens ‚Stadtreparatur‘ sowie im Zusammenhang mit dem Planwerk Innere Stadt deren restaurative Tendenzen und Fokus auf ein Stadtbürgertum. Diesem Modell werden moderne, postmoderne und zeitgenössische Positionen gegenübergestellt, deren Entwurfspraxis auf der Annahme beruht, dass es für einen wirklich urbanen Raum einer tatsächlichen Heterogenität bedarf, die sich auch gestalterisch niederschlägt. 

Das Seminar findet in der Kompaktwoche statt und kann unabhängig vom Projekt ‚Fast Fwd: Molkenmarkt‘ besucht werden, es ist jedoch in erster Linie als Begleitseminar zu diesem Vertical Studio angelegt.