Die späten 1960er Jahre bilden eine besondere Zeit in der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Am Scheidepunkt des sorglosen Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit und eines herannahenden Wertewandels u. a. durch die politischen Bewegungen der 1968er Jahre, gerieten die Kunst und ihre institutionellen Kontexte ins Wanken. Unter dem erklärten Ziel, eine Kultur für alle zu schaffen und das Kunstverständnis nicht mehr nur wenigen Kennern zu überlassen, wurde die Funktion der Kunst neu verhandelt. Mit zunehmender Skepsis gegenüber dem isolierten ästhetischen Wert eines Kunstwerks richteten Künstler*innen der späten 1960er Jahre ihren Fokus zunehmend auf die gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der Kunst. Die Faktoren, die über ihre Produktion oder Wahrnehmung entschieden, wurden selbst zum Thema damaliger Kunstformen und begründeten einen fundamentalen Wandel in der künstlerischen Arbeitsweise, deren Ausdifferenzierung bis heute andauert. Das Museum, das zu dieser Zeit noch die dominante Institution für die Aushandlung der gesellschaftlichen Funktion der Kunst darstellte, bildete einen besonderen Fokus solcher Kunst, die sich der kritischen Reflexion ihrer eigenen Existenzbedingungen widmete. Die Kunst der sogenannten Institutionskritik begann in diesem Sinne als Kritik des Museums und bettete sich ein in einen breit gefächerten Museumsdiskurs, in dem die Stimmen der Künstler*innen das Establishment der Museumswelt mit den Unzulänglichkeiten des traditionellen Kunstmuseums konfrontierten. Textzeugnisse und Kunstbeispiele dieses dynamischen Austauschs rangieren dabei zwischen Provokation und subtiler Infragestellung, und dokumentieren einen spannenden Wandel der Kunst und des Museums hin zu Instrumenten der historisch-soziologischen Forschung und politischen Einflussnahme.

Ziel des Seminars ist es, einen Einblick in die Ansatzpunkte und Facetten der Kunst der Institutionskritik der späten 1960er und 70er Jahre zu geben. Anhand von ausgewählten Kunst- und Textbeispielen soll es ermöglicht werden, die Wechselwirkung zwischen Kunst und ihren Bezugssystemen besser zu verstehen und ihren reflexiven Beitrag zum Verständnis jener historisch einzuordnen.

Für Studienanfänger*innen und Fortgeschrittene

Teilnahmevoraussetzungen: Regelmäßige Anwesenheit, Übernahme eines Referats, Vor- und Nachbereitung der Sitzungen.