[PRÄ] Lesen in der Sekundarstufe – Lesekompetenz, Diagnostik und Förderung

Elisabeth Gessner und Horst Paul Kuhley

Vorbemerkung für das Wintersemester 2021-2022

Die Veranstaltung wird in der Regel als Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Das Seminar beginnt am 26. Oktober 2021 in Präsenz mit Hygienekonzept (siehe Moodle) und setzt sich in Präsenz oder hybrid fort. Aufgaben, Texte und ggf. Protokolle aus den Präsenzsitzungen werden in Moodle gespiegelt. Zur aktiven und erfolgreichen Teilnahme empfehlen wir Lernpartnerschaften einzugehen, damit Sie die Inhalte der Seminarsitzungen erfahren, an denen Sie nicht teilnehmen konnten. Wir bitten darum, dass Sie sich am Dienstag von 14:15 bis 15:45 von anderen Verpflichtungen freihalten, um an Präsenzveranstaltungen oder online-Konferenzen teilnehmen zu können. Notwendige Grundlagentexte sind in einem Seminarreader zusammengestellt, der im Copy Pro Wiso, Nora-Platiel-Str. 6 erhältlich ist. Die Seminarteilnehmer und die Seminarteilnehmerinnen führen ein Journal als Teil eines Leistungsnachweises.

 

  1. Allgemeiner Rahmen und didaktischer Ansatz

Das Seminar vermittelt Grundlagen der Lesedidaktik. Je nach Vorkenntnissen und Interessenlage der Teilnehmer können davon ausgehend unterschiedliche domänenspezifische Fragestellungen ausdifferenziert und vertieft werden. ‚Lesekompetenz‘ wird als zentrale Schlüsselqualifikation begriffen, deren Förderung und kontinuierliche Weiterentwicklung Aufgabe aller Schulfächer und -stufen ist. Im hier skizzierten Seminarverlauf liegt der Fokus vor allem auf den Möglichkeiten des Deutschunterrichts in der Sekundarstufe I.

Im Grundsatz gehen wir von der PISA-Konzeption der ‚reading literacy‘ aus und orientieren uns entsprechend an Erkenntnissen der Kognitionspsychologie und Neurophysiologie, beziehen aber auch lesesozialisationstheoretische Modelle und aktuelle Ergebnisse aus der deutschdidaktisch fundierten Leseforschung maßgeblich mit ein (Bertschi-Kaufmann, Rosebrock, Garbe, Hurrelmann, Spinner etc.). In der Zielorientierung zeigen wir Vermittlungslinien zwischen pragmatisch-funktionalen Konzepten aus dem angelsächsischen Kontext und bewährten lesedidaktischen Entwürfen der europäischen Bildungstradition auf.

Dem entsprechend ist das Seminarkonzept ganzheitlich und prozessorientiert. Im Zentrum steht der Begriff des individuellen und kooperativen Lernens. Wir gehen von einem gestuften Lesekompetenzmodell aus, das systematisch auf die Bildungsstandards und Abschlussqualifikationen der Mittleren Schulabschlüsse hin arbeitet. Wesentliche Aspekte der gymnasialen Oberstufe werden ergänzt.

Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Lehrveranstaltung auf Gesichtspunkten der Unterrichtspraxis und Unterrichtsentwicklung. Neben der theoretischen Fundierung haben deshalb vor allem die praktische Erprobung von Diagnoseverfahren, Methoden und Materialien sowie die Entwicklung unterrichtsnaher Projekte zur Leseförderung einen durchgehend hohen Stellenwert.

Entsprechend dem fächerübergreifenden Ansatz steht zunächst der Umgang mit pragmatischen Textsorten im Mittelpunkt. Dies wird jedoch um spezifischere Aspekte des Deutschunterrichts ergänzt, insbesondere hinsichtlich der Rezeption literarischer Kurztexte und entsprechender Verfahren aus der aktuellen Deutschdidaktik.

Die im Seminar vermittelten Inhalte folgen einem Bausteinprinzip und lassen sich je nach den spezifischen Erfordernissen flexibel kombinieren:

  • Grundlagen des Lesens: Determinanten von Lesekompetenz synchron und diachron, Stufenmodelle und verschiedene Theorien zum Leseerwerb, idealtypischer Verlauf einer Lesebiografie, Lesekompetenz vs. Lesemotivation, neuere Studien zur Leseforschung, Gender Aspekte etc.
  • Diagnose und Fördermöglichkeiten: Analyse und Erprobung unterschiedlicher Diagnoseinstrumentarien, Leistungen und Grenzen der standardisierten Lesediagnostik (Lesetests), informelle Beobachtungsverfahren, Zusammenhang von Diagnose und Förderung, Fallbeispiele und Problemsignale als Grundlage verschiedener Förderkonzeptionen, kompetenzorientierte Aufgabenformate, Standards für den mittleren Bildungsabschluss etc.
  • Neurophysiologie des Lesens und Lernens: Frühe Förderung und lebensbegleitendes Lernen, verschiedene Lerntheorien, Konsequenzen für die Lesedidaktik, individuelles Lernen und standardisierte Leistungsnormen etc.
  • Weltwissen und Leseverstehen: Begriffsbildung und Erfahrung, Wortschatz und Verstehensleistung, Vorwissen und strukturierter Wissensaufbau, interkulturelle Aspekte beim Leseverständnis etc.
  • Methodik und Didaktik des Lesens: Der Leseprozess, Texterschließungstechniken und Lesestrategien, Unterrichtsmaterialien zur Methodik des Lesens, Textstruktur und Textqualität, Analyseverfahren zum Schwierigkeitsgrad von Texten, Arbeit mit unterschiedlichen Textsorten etc.
  • Leseförderung als Aufgabe der Schulentwicklung: Entwicklung schulischer Lesecurricula und Leseprojekte, Schulbibliotheken und Lese-Schreibzentren, Bedingungen und Möglichkeiten außerschulischer Leseförderung etc.
  1. Materialien

Es liegt ein umfangreicher Seminarreader mit Grundsatztexten und praxisbezogenem Übungsmaterial zu allen Themenstichworten vor. Der Reader enthält auch eine umfangreichere Literaturliste.

Literatur

Auer, M., Gruber, G. u. a. (2005/2006): Salzburger Lese-Screening (SLZ) für die Klassenstufen 5-8. Bern: Verlag Hans Huber

Groeben, Norbert / B. Hurrelmann (Hrsg.) (2001): Lesekompetenz. Bedingungen, Dimensionen, Funktionen, Weinheim/ München

Deutsches PISA-Konsortium (Hg.) (2001): PISA 2000, Opladen: Leske & Budrich; S. 119-120

Gessner, E. & Kuhley,H. (2007b): Lesekompetenz diagnostizieren und entwickeln. Deutschmagazin 4/07, München: Oldenbourg. S. 59-63

Gold, A., Mokhlesgerami, J. u. a. (2004): Wir werden Textdetektive, Göttingen

Kruse, G. / Rickli, U. / Riss, M. / Sommer, T. (Neubearbeitung 2011): Lesen. Das Training 1 (Unterstufe), Klett Verlag Stuttgart

Müller, A. & Roebbelen, I. (2004): Verstehenshorizonte nutzen. (Unterrichtsmodell) Praxis Deutsch 187/04. Seelze: Friedrich in Velber

OECD (2019), PISA 2018 Ergebnisse (Band I): Was Schülerinnen und Schüler wissen und können, PISA, wbv Media, Bielefeld

Rosebrock, C. /Nix, D. (2008): Grundlagen der Lesedidaktik – und der systematischen schulischen Leseförderung, Scheider Verlag Hohengehren

Spitzer, M. (2006): Lernen. Die Entdeckung des Selbstverständlichen. Weinheim: Beltz

Willenberg, H. (2004): Lesestrategien. Praxis Deutsch 187/04. Seelze: Friedrich in Velber

Wittmann, M. & Pöppel, E. (1999): Neurologie des Lesens. In: Franzmann u. a. (Hg.), Handbuch Lesen. München: K.G. Saur, S, 145-223

Zitzlsperger, Helga (2008): Vom Gehirn zur Schrift, Schneider Hohengehren, Baltmannsweiler