Wurde die Konstitution der digitalen Gesellschaft in den 1990er Jahren v.a. unter dem Gesichtspunkt der sozialen Vernetzung mit technischen Mitteln diskutiert (vgl. etwa Castells Diagnose einer „Netzwerkgesellschaft“ 1996), so sind nach und nach aus versch. Gründen immer mehr (scheinbar rein) technische Aspekte ins Zentrum des sozialwissenschaftlichen Interesses gerückt. In den 2000er Jahren formierten sich etwa die Software Studies als interdisziplinärer Forschungsbereich, im Laufe der 2010er Jahre machte der Begriff der „Datafizierung“ des Sozialen die Runde und aktuell gelten sog. „Künstliche Intelligenz“-Systeme (KI-Systeme) als die gewissermaßen paradigmatische Entwicklungsstufe der der digitalen Technologie und Gesellschaft. Die Basis all dieser Entwicklungen bilden indes die Algorithmen, die sich, verfasst in jeweils spezifischen Programmiersprachen, in die Software-System einkodiert finden, die Datenanalysen der Organisationen steuern und das algorithmische Lernen der Machine Learning-basierten KI-Systeme anleiten.

Das Seminar wird die solchermaßen geformte algorithmische Sozialität in den Blick nehmen, um so ein Verständnis für die soziale und kulturelle Rolle zu entwickeln, die Algorithmen in der digitalen Gesellschaft spielen. Software, Daten und KI-Systeme begegnen uns im Alltag ständig und gelten als Transformationstreiber sämtlicher Bereiche der Gegenwartsgesellschaft (inkl. des akademischen Forschungs- und Lehrbereichs – man denke nur an die intensiven aktuellen Debatten um ChatGPT). Wie aber lassen sich Algorithmen und KI-Systeme theoretisch konzipieren und empirisch erforschen? Welche gesellschaftlichen Veränderungen rufen sie hervor, und welcher Innovationsbedarf ergibt sich daraus für die Neuerfindung von Gesellschaft unter digitalen Bedingungen?

Wir werden diesen Fragen in der Veranstaltung nachgehen, indem wir die Lektüre einschlägiger klassischer und aktueller Texte mit der Durchführung spielerischer Übungen und Alltagsexperimente (Code Game; algorithmischer Spaziergang; KI interviewen) kombinieren. In der ersten Semesterhälfte werden wir auf diese Weise ein Grundverständnis für Algorithmen und KI-Systeme entwickeln, um uns in der zweiten Hälfte dann versch. Phänomen- und Problembereichen der algorithmischen Sozialität zuzuwenden (Öffentlichkeit, Privatheit, Ethik, Diskriminierung, Transparenz usw.).