Die industriekapitalistische Produktionsweise steht bekanntlich unter Wachstumszwang. Bei diesem sogenannten Wachstum handelt es sich freilich nicht um etwas Organisches, sondern um eine Metapher für das Gesetz der Akkumulation von verwertetem Wert. In einer weltgeschichtlich erstaunlichen kurzen Zeitspanne hat es den Ruin natürlicher Lebensgrundlagen und Lebensumwelten herbeigeführt. Vor diesem Hintergrund erhalten naturphilosophische Reflexionen eine beklemmende Aktualität.

Das Thema Naturbeherrschung als philosophisches Problem zu bearbeiten, ist so etwas wie eine Domäne kritischer Theorie. Im Horizont der klassischen und frühromantischen Ästhetik hatte der junge Marx in der Frühzeit des industriellen Kapitalismus den Ge­danken formuliert, dass »der durchgeführte Naturalismus des Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur« zur Aufgabenstellung sozialer Praxis gehört. Selbst wenn es bereits zu spät sein sollte, diesen Gedanken in gegenwärtiger subversiver und wider­ständiger Praxis umzusetzen, bedarf es seiner allemal als philosophische Erinnerung an vertane Möglichkeiten.

Bereits vor über 50 Jahren merkte Alfred Schmidt an: »›Resurrektion der Natur‹, ›Hu­mani­sierung der Natur, Naturalisierung des Menschen‹ – das sind heute keine Aus­geburten eschatologischer Phantasie mehr. Von ihrem Gelingen hängt ab, ob die Mensch­heit in ein einen vernünftigen Zustand eintritt, ja ob sie überlebt.« Und es ist nun schon bald 100 Jahre her, dass Walter Benjamin dringlich notierte, unter »Technik« sei »nicht Naturbeherrschung« zu verstehen, sondern vielmehr: »Beherrschung vom Verhältnis von Natur und Menschheit«. Benjamin hatte seine These mit dem Argument vorbereitet, »die Profitgier der herrschenden Klasse« habe dazu geführt, dass die von ihr funktionalisierte Technik »die Menschheit verraten« und die Natur ruinieren würde.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts formulierten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno eine Kritik der naturbeherrschenden Rationalität, der sie ein von Benjamin inspiriertes Konzept des »Eingedenkens« entgegensetzten. Das »Eingedenken der Natur im Subjekt« könnte helfen, die kapitalistisch entfesselte Naturbeherrschung gesellschaftlich zu be­herrschen, weil es möglich macht, »Herrschaft bis ins Denken hinein als unversöhnte Natur zu erkennen«.[4]

Vor 20 Jahren hat Alexandra Manzei für ein »Eingedenken der Lebendigkeit im Subjekt« plädiert, als sie »die anthropologischen Herausforderungen der biotechnologischen Medizin« aus der Perspektive der kritischen Theorie untersuchte. Seither ist die Klimakrise unter dem Problemtitel »Anthropozän« zu einer der bedroh­lichsten Erscheinungen der unbeherrschten Naturbeherrschung thematisiert worden; aber sie wird nicht immer als Ergebnis »der kapitalistischen Naturaneignung« unter den Bedingungen der Überakkumulationskrise begriffen. 

Arbeitsweise:

Arbeitsgruppen (max. 3 Personen), die Aspekte aus ausgewählten Texten (siehe oben) im Seminar vorstellen und Diskussionen vorbereiten.