In Gedenken an den rassistischen Mord an Halit Yozgat, welchen der rechtsextreme NSU 2006 unweit des Campus Holländischer Platz begangen hat, findet seit 2012 jährlich mit wechselnden Themen die Ringvorlesung gegen Rechtsextremismus an der Universität Kassel statt. Nachdem sich die Vorlesung im letzten Wintersemester rechtsextremen Parteien und sozialen Bewegungen (u.a. in Deutschland, Frankreich, Italien, der Ukraine und Ungarn) gewidmet hat, möchten wir im kommenden Wintersemester 2022/23 den Fokus stärker auf Rechtsterrorismus in Deutschland und seine staatliche und (zivil)gesellschaftliche Aufarbeitung in richten.

Wir nehmen den Rahmen der geplanten interdisziplinären Ringvorlesung zum Anlass, u.a. darüber nachzudenken,

a) welche rechtsextremen Akteur:innen früher und heute in Deutschland aktiv waren und sind sowie welche Milieus rechtsterroristische Taten unterstützen und befördern;

b) inwiefern sich rechtsextreme Mobilisierungs- und Organisierungsstrategien im Wandel befinden und wie und aus welchen Gründen rechtsextreme Einstellungen in Gewalt und Terrorismus umgesetzt werden;

c) wie diese Gefahr innerhalb von (Zivil)Gesellschaft und Staat verarbeitet wird, welche repressiven und präventiven Strategien verfolgt werden und ob diese angepasst werden müssen;

d) wie rechtsterroristische Taten in Sicherheitsbehörden bearbeitet und Parlamenten aufgearbeitet werden und welche Alternativen dazu bestehen;

e) und welche Strategien im politischen und (zivil)gesellschaftlichen Kampf gegen diese Entwicklungen entworfen werden können.

Diese und weitere Fragen sollen in vier thematischen Blöcken aus jeweils unterschiedlichen Zugängen thematisiert werden.

  • Im ersten Block werden einführend rechtsextreme Ideologien in den Blick genommen, der Extremismusbegriff (de-)konstruiert und in das Forschungsfeld Rechtsterrorismus eingeführt.
  • Der zweite Block fragt darauf aufbauend nach der politischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung von rechtsterroristischer Gewalt in Deutschland. Der besondere Fokus liegt auf hierbei auf einer Auswahl jüngerer rechtsterroristischer Personen und Organisationen (NSU-Mordserie, Ermordung Walter Lübckes, den Anschlägen von Hanau, Halle und gegen Geflüchtete) sowie deren Verarbeitung in Sicherheitsbehörden, Parlamenten und (Zivil)Gesellschaft.
  • Im dritten Block geht es um (zivil)gesellschaftliche Gegenstrategien zur Ausbreitung rechter und rechtsextremer Denk- und Argumentationsmuster. Insbesondere soll thematisiert werden, wie außerschulische und politische Bildung einen Beitrag zur Stärkung einer demokratischen (Zivil)Gesellschaft leisten und Aufklärung und gesellschaftliches demokratisches Engagement befördern könnten.
  • Der letzte Block widmet sich der Diskussion staatlich vorgehaltener Strukturen zum Schutz der Demokratie und deren mögliche Reformbedarfe. Der Fokus liegt auf Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern. Hierbei werden Entstehung und Entwicklung, Konstruktionsfehler sowie Reformoptionen analysiert und diskutiert. Zudem wird auf die gegenwärtig geführte Debatte eingegangen, ob die AfD rechtsextrem ist und was eine VS-Einstufung als Prüf-, Verdachts- und Beobachtungsfall bedeutet.