Im Anblick globaler Krisen vom Klimawandel bis zur Corona Pandemie kommen heute die Unzulänglichkeiten märkftförmiger Regelungsprinzipien immer stärker zum Vorschein. Auch durch eine sich stetig zuspitzende soziale Ungleichheit bei steigenden Inflationsraten und einer ungelösten Wohnungfrage werden die Rufe nach einer Überwindung der kapitalistischen Marktordnung wieder lauter. Das Gespenst eines Postkapitalismus geht wieder um in Europa, doch nach dem Niedergang des real existierenden Sozialismus scheint es eine allgemeine Unklarheit über die Ausformung einer tragbaren Alternative zu geben. Die politische Linke scheint wie gelähmt von einer “imaginären Sterilität” (Fisher), befangen in einer Haltung von Kritik und Negation ist sie unfähig einen tragfähigen Gegenentwurf jenseits von blindem Marktreiben zu formulieren.

In diesem Seminar wollen wir gemeinsam erörtern, was sich hinter der Chiffre des Plans verbirgt und gegenwärtige Wirtschaftsmodelle diskutieren, die versuchen eine profitorientierte Marktwirtschaft zu überwinden. Im ersten Teil des Seminars werden wir Schlüsseltexte der sozialistischen Kalkulationsdebatte bearbeiten (u.a. Weber, Mises, Hayek, Lavoie), um unseren Blick für die Herausforderungen und Probleme eines Wirtschaftens jenseits von Markt und Wertgesetz zu schärfen. Im zweiten Teil wenden wir uns gegenwärtig diskutierten Modellen zu, die heute entlang zweier Pole anzuordnen sind. An einem Ende treffen wir auf ein partizipatorisches Ideal, eine radikaldemokratische Überzeugung bei der alle nach dem Grad ihrer Betroffenheit in einen horizontalen und konsensorientieren Planungsprozess eingebunden werden. Das andere Ende ist charakterisiert durch eine gewisse algorithmische Gouvernmentalität. Riesige Unternehmen wie Amazon zeigen heute, dass sich die “Administration der Dinge” (Engels) einer solchen Größenordnung durch Informationstechnologien rational planen lassen. Doch lassen sich diese Technologien aus ihren entfremdenden Entstehungsursprüngen loslösen? Wie verhalten sich diese Modelle neben der ökonomischen Machbarkeit zu dem Problem des Autoritarismus? Und wie steht es um Reproduktions- und Care-Arbeit, dem Blinden Fleck solcher wirtschaftstheoretischen Männerphantasien?

Ich freue mich mit Ihnen diesen Fragen gemeinsam nachzugehen. Der Kurs steht allen Interessierten offen. Ökonomische Grundkenntnisse sind von Vorteil, aber die Texte wurden so ausgewählt, dass wir uns diese über das Semester gemeinsam aneignen.