Im Zentrum von Horkheimers Sozialphilosophie stand zunächst die Frage, warum trotz objektiver Umwälzungsbedürftigkeit der bürgerlichen Gesellschaft die Umwälzung nicht stattfand, bzw. warum sie dort, wo sie stattgefunden hatte, neue Formen autoritärer Herrschaft anstatt Emanzipation und Freiheit hervorbrachte. Dabei, schrieb Horkheimer rückblickend, sei »die marxistische Interpretation sozialer Geschehnisse«maßgeblich gewesen«. Die sich selbstdestruierende und sich dadurch als widersprüchlich erhaltende Gesellschaftsform der industriekapitalistischen Produktionsweise bezeichnete er nach dem Siegeszug von Faschismus und Nationalsozialismus als Gesellschaft des »autoritären Staats« und später als »verwaltete Welt«.

Zur Analyse des immanenten historischen Geschehens kam die Reflexion auf ein schlechthin Anderes der bestehenden Verhältnisse. Dieses Andere ist in der kritischen Theorie nicht positiv zu bestimmen. Der Verweis auf »eine ganz andere Welt als diese« erfolgte nicht, um dieser Welt seelisch zu entfliehen, sondern um sie einer radikalen Kritik zu unterziehen, die die Konzepte der Geschichte und des Fortschritts nicht aussparte. 

Im Seminar soll versucht werden, Horkheimers Philosophie von drei Essays aus zu erschließen, die als das systematische Zentrum seines gesamten Werks angesehen werden können: Die Juden und Europa(1939), Autoritärer Staat(1940) und Vernunft und Selbsterhaltung(1942). Die drei Essays sind der Kulminations- und Kipppunkt, an dem Horkheimers historisch-materialistischer und sein anthropologisch-zivilisationstheoretischer Ansatz zusammenkommen. Von dort aus kann mitvollzogen werden, wie Horkheimers Philosophie in all ihren sozial- und vernunftkritischen Facetten die These zum Ausdruck bringt, dass die bürgerliche Gesellschaft keine humane und freie Gesellschaft ist, weil sie sich aufgrund ihres inneren Widerspruchs sozusagen selbst zerlegt.