Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit scheinen auf den ersten Blick nichts mit Sex/ualität oder Begehren zu tun zu haben – und doch war und ist Sex/ualität bis heute ein höchst bedeutendes Aktionsfeld und zentraler Gegenstand entwicklungspolitscher Programme, Interventionen und Diskurse. Ihm Rahmen einer Vielzahl von entwicklungspolitischen Debatten über „Überbevölkerung“, „reproduktive Rechte“, „sexuelle Selbstbestimmung“ oder „sexualisierte Gewalt“ ebenso wie im Rahmen von HIV/Aids Politiken oder aktuellen Auseinandersetzungen um homophobe/LGBTIQ-feindliche Gesetzgebungen in Ländern des Globalen Südens werden spezifische (normative) Vorstellungen von Sex/ualität verhandelt, reproduziert und eingesetzt. Diskussionen um den „richtigen Sex“ oder „unter/entwickelte“ bzw. „rückständige“ sexuelle Verhaltensweisen prägen jedoch nicht erst seit Beginn der institutionalisierten Entwicklungszusammenarbeit transnationale (Ungleichheits-)Verhältnisse, sondern Vorstellungen von einer „zivilisierten“ versus „unzivilisierten“ Sexualität spielten historisch auch eine konstitutive Rolle für die Legitimierung kolonialer und rassistischer Gewalt.

 

In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit verschiedenen Perspektiven, Konzepten und Forschungsergebnissen aus dem Bereich der kritischen Entwicklungsforschung, der Post-/Decolonial, Queer und Gender Studies und spüren auf deren Basis der konstitutiven Bedeutung von Sex/ualität für das Funktionieren und die Legitimierung von „Entwicklung“ nach. Besondere Bedeutung kommt dabei einer historischen und damit auch kolonialismussensiblen Kontextualisierung einer anhaltenden „Problematisierung“ von Sexualität(en) im Globalen Süden zu: Warum und in welcher Weise wurde („richtige“) Sexualität zu einem Marker für „Zivilisation“, „Modernisierung“, oder eben auch „Entwicklung“?

 

Themenschwerpunkte des Seminars (u.a.):

  • Koloniale Sexualitätskonstruktionen, Sexualität als rassialisiertes Konstrukt
  • Rassismen und Heteronormativität in Diskursen über „Überbevölkerung“ und „reproduktiven Rechten“
  • Sexuelle Normen und Normativitäten in HIV/AIDS Programmen
  • „Gay friendliness“ als neuer Indikator von Entwicklung, LGBTIQs als neue „Zielgruppe“ und Thema von Entwicklungszusammenarbeit

Organisatorisches: Der genaue Seminar- und Arbeitsplan wird in der Vorbesprechung am 22. Oktober 2021 besprochen, daher ist eine Teilnahme an der ersten Sitzung unbedingt erforderlich!

Leistungsnachweis:

Studienleistung: Regelmäßige, aktive Teilnahme und Mitarbeit, ein Kurz-/Textinput sowie Führen eines „Erkenntnistagebuches“

Prüfungsleistung: Studienleistung plus Ausarbeitung des Inputs zu einer Hausarbeit (18-20 Seiten)