Der Autor einer Meistererzählung über die christlich-muslimischen Beziehungen im Mittelalter beschrieb den Islam als „biggest challenge for Christianity.“ Die vom Propheten Muhammad gegründete und rasch expandierende Religion warf viele Fragen auf und hatte einen tiefen Einfluss auf das Selbstverständnis und die Weltanschauungen der Christentiums. Ziel des Kurses ist es, die komplexen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen während des Mittelalters anhand von zeitgenössischen Geschichtsquellen auszuloten und zu diskutieren. Im Vordergrund stehen vornehmlich von lateinisch-christlichen Autoren verfasste Quellen vom 8. bis 16. Jahrhundert (u.a. Chroniken, Reiseberichte, religiöse Traktate, Bilder, Karten, Denkmäler), auf deren Basis die Studierenden die sich wandelnden Islambilder und unterschiedlichen Verhältnisse in den Kontaktzonen zwischen den Kulturen erarbeiten. Schwerpunkte sind hierbei Texte, die im Kontext der Kreuzzüge und der Reconquista verfasst wurden. Sie lernen die wesentlichen Unterschiede und theologischen Streitpunkte zwischen den Religionen kennen und reflektieren, wie und zu welchen Zwecken (pseudo)biographische Informationen über den Propheten Muhammad und islamische Bräuche im Laufe der Zeit genutzt wurden und zur „Orientalisierung“ des Orients beitrugen.

Doch stehen nicht allein die negativen und verzerrenden Vorstellungen über die rivalisierende Religion im Mittelpunkt. In den Blick genommen werden auch Darstellungen und Funktionen wie des edlen Heiden sowie interreligiöse Begegnungen in Situationen des täglichen Lebens. Die Vielfalt produktiver Kontakte zwischen Christen und Muslimen, die in der Forschung durch Schlagworte wie Koexistenz, pragmatische Toleranz, Hybridität und transkultureller Wissensaustausch umschrieben werden, verweisen auf die Durchlässigkeit kultureller Grenzen jenseits religiöser Normvorstellungen und hinterfragen statische Konzepte etwa eines „clash of civilisations“.

Die Analyse der verschiedenen Quellen und ihrer Funktionen führt demnach zu einer allgemeinen Reflexion, was unter Kultur zu verstehen ist, sowie über Konzepte des „Fremden“ und „Eigenen“, über die Formierung von kollektiven Identitäten und die ideologische Nutzung von Geschichtsbildern. Am Ende des Kurses wird an aktuellen Beispiel aus Forschung, Massenmedien und Social-Media-Plattformen der Einfluss der mittelalterlichen christlich-muslimischen Beziehungen auf unsere Gesellschaft erörtert.