Sei es im Wahlverhalten, im verfügbaren Einkommen, im Bildungsstand oder im Dienstleistungsangebot – zunehmend machen sich diesseits wie jenseits des Atlantiks tiefgreifende Unterschiede zwischen Stadt und Land bemerkbar, die mitunter politische Verwerfungen sowie eklatante Anerkennungs- und Identitätsfragen nach sich ziehen. Oder prägnanter mit den Worten Lukas Hafferts: Es herrscht „Stadt, Land, Frust“. Das Seminar wird der historischen Genese dieser Stadt-Land-Gegensätze aus der Epoche des Mittelalters heraus nachgehen, die neben einer starken agrarischen Prägung von evidenten Urbanisierungstendenzen geprägt ist. Neben der Transformation antiker Stadtkulturen begegnen dabei neue Erscheinungs- und Organisationsformen des Urbanen, die auf vielfältige Weise – politisch, wirtschaftlich, sozial – mit der ländlichen Umwelt verschränkt waren. Ausgehend von den spezifisch mittelalterlichen Rahmenbedingungen der Raum- und Landschaftswahrnehmung wird das Seminar die definitorischen Probleme und topographischen Interferenzen von Stadt und Land untersuchen, z.B. mit Blick auf eine agrarische Nutzung des Stadtraums, shrinking citiesurban prairies und suburbane Kontaktzonen. Zeitgenössische Wahrnehmungen des Urbanen und Ruralen bilden dabei ein Rückgrat der Seminardiskussion, sei es in Form von Städtelob und -kritik oder der Überhöhung und Disqualifikation des Landlebens. Zugleich gehen wir der Frage nach, wie sich der Sozialtypus des Stadtbürgers gerade in Abgrenzung zum Bauern formiert und etabliert hat. Hier ist vor allem die wechselseitige Wahrnehmung und Stereotypisierung von Städtern und Bauern in literarischen und bildlichen Quellen des späteren Mittelalters zu diskutieren.