Phi 082, S/HS, Do. 14-16, 

Module 08, 10neu, Master 05 (alt und neu)

 

Nach Hesiod (ca. 700 v. Chr.) unterscheiden sich Menschen dadurch von Tieren und Göttern, dass sie nirgendwo vorfinden, was sie zum Leben brauchen, sondern alles selber durch Arbeit herstellen müssen. Und auch das gelingt ihnen nur, weil Prometheus, seinerseits ein Außenseiter unter den Göttern, ihnen durch Diebstahl bei den Göttern das Feuer besorgt. Dieser Grundgedanke – dass die conditio humana defizitär und die Existenz der Menschen in der Ordnung der Welt gar nicht vorgesehen und gleichsam illegal ist, und dass die technische Zivilisation der Menschen dieses aus göttlicher Missgunst resultierende Defizit kompensiert – wird in vielen literarischen Zeugnissen aus den folgenden Jahrhunderten variiert. Zu diesen Varianten gehört einerseits die Großartigkeit, mit der sich der Mensch (bei Sophokles) über alle Gegebenheiten hinwegsetzt und keine kosmologische Einbettung seiner technischen Zivilisation, im Unterschied zur politischen, braucht, und andererseits die Konstruktion einer anthropozentrischen Weltanschauung, die (bei Xenophon) in der Behauptung gipfelt, die Götter hätten gar nichts anderes zu tun, als für die Menschen zu sorgen. Der Ausgangspunkt, an dem Hesiod ansetzt, wird erst bei Aristoteles obsolet: Keine biologische Art existiert ohne verlässlich verfügbare Ressourcen, denn sonst wäre sie längst ausgestorben. Die technische Zivilisation des Menschen kompensiert daher kein biologisches Defizit, sondern sie beruht auf einer ausgezeichneten Befähigung, die zur Natur des Menschen gehört. Ihre kosmologische Einbettung erfolgt weder durch göttliche Fürsorge noch durch göttliche Missgunst, sondern durch Biologie.