Mit practical, material bis hin zum so genannten vital turn hat die Soziologie das Verständnis ihres Gegenstandsbereiches innerhalb der letzten Jahre revidiert. Damit rückt, im Gegensatz zu den zuvor dominierenden sozialkonstruktivistischen Perspektiven, die vorwiegend nach den Bedingungen gesellschaftlicher Stabilität und der Reproduktion von Ordnung fragen, ein stärker prozessuales Verständnis in den Vordergrund. Auch die Ausrichtung der Soziologie als Humansoziologie wird in Frage gestellt, denn auch Steinen, Maschinen und Tieren wird in diesen neueren Ansätzen eine Agency zugeschrieben. Sie stellen nicht mehr die ‚Außenseite‘ der Gesellschaft dar.

Im Seminar wollen wir uns mit diesen verschiedenen Strömungen auseinandersetzen. Ein Hauptfokus soll dabei auf der Frage liegen, welche Bedeutung dem Leben und der Lebendigkeit zugewiesen wird. Hierzu nehmen wir Konzepte wie das der Biopolitik von Foucault in den Blick, beschäftigen uns mit dem Phänomen posttraditionaler Vergemeinschaftungen, mit Affekten, körper- und leibphänomenologischen Ansätzen und diskutieren die Rolle und den Stellenwert ‚lebendiger‘ Erfahrungen in den digitalisierten und technisierten Umwelten gegenwärtiger Gesellschaften.