„Ich will bei mir selbst sein, soweit ich kann, will die verstreuten Bruchstücke meiner Seele wieder aufsammeln und ernsthaft bei mir verweilen.“ Mit diesen Worten bringt Francesco Petrarca (1304-1374) in seinem Dialog „Mein Geheimnis“ die Sorge um das eigene Selbst zum Ausdruck. Tatsächlich gilt der Philosoph, Humanist und Dichter Petrarca zu Beginn der Renaissance wie kein zweiter Denker als ein Meister der Selbstdarstellung, mit dem erstmalig ein Entwurf zur frühneuzeitlichen Subjektphilosophie vorliegt. Dabei besteht das Besondere dieses Entwurfs von Subjektivität weniger in einem Durchbruch zu eigener Authentizität als in einer untrennbaren Verknüpfung von Selbstanalyse und Selbstinszenierung, die freilich – trotz ihres Neuerungsbewusstseins – nicht ohne die Vorgaben der Tradition denkbar ist. So konstruiert Petrarca in „Mein Geheimnis“ nicht ohne Grund ein Gespräch dem christlichen Platoniker und Kirchenvater Augustinus (354-430), der das Problem der Gotteserkenntnis entschieden mit dem Problem der Selbsterkenntnis verknüpft und damit erste Impulse für die Entwicklung eines subjektiven Bewusstseins gibt. Der Spätscholastiker Wilhelm von Ockham (geb. um 1280, gest. um 1347) wiederum liefert einen entscheidenden Beitrag zur theoretischen Aufwertung des Begriffs des Individuums, ohne den die von Petrarca vollzogene Wendung zum Subjekt ebenfalls nicht verständlich wird. Mit René Descartes (1596-1650) bildet sich schließlich eine Auffassung von Subjektivität heraus, nach der die Eigenständigkeit des Individuums auch für die Sicherung der Erkenntnis in Anspruch genommen wird. Das Seminar ist für das ITALICUM geöffnet.