Gentrifizierung, die Aufwertung von Wohngebieten verbunden mit einer Verdrängung einkommensschwacher Gruppen, wurde erstmalig in den 1980er Jahren in der deutschen Stadtforschung diskutiert. Innerstädtische Quartiere waren die Hauptorte solcher Aufwertungsprozesse, und vereinzelt sprachen Stadtforscher*innen von einer „Renaissance der Innenstädte“ (Häußermann und Siebel 1987: 11). Die Diagnose einer „Renaissance der Städte“ und einer „Reurbanisierung“ wurde dann vor allem in den 2000 Jahren geprägt, als Großstädte überraschend wieder zu wachsen begannen und sich die immobilienwirtschaftlichen Aufwertungen von den Innenstädten auf den gesamten Wohnungsbestand der Städte auszudehnen begannen. So gesehen, erscheint die Gentrifizierung von Wohngebieten als Vorbote eines Prozesses, der inzwischen ganze Städte erfasst hat.

In dem Seminar soll einerseits diese jüngere Geschichte von Aufwertungsprozessen von Städten rekonstruiert sowie theoretische Modelle und empirische Befunde zu Gentrifizierung und Reurbanisieurng diskutiert werden. Andererseits werden Hintergründe, darunter insbesondere die sogenannte Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, betrachtet, um beurteilen zu können, welche Steuerungsformen einer weiteren Aufwertung und Inwertsetzung von Stadt und Wohnen begegnen können.


Literaturtipps

Gerrard, J. et al. (2023): Rendite mit der Miete. Verfügbar unter https://www.finanzwende-recherche.de/wp-content/uploads/Immobilien_Report_20231107-1.pdf

Glatter, J. & Mießner, M. (Hg.) (2021) Gentrifizierung und Verdrängung: Aktuelle theoretische, methodische und politische Herausforderungen, Bielefeld, transcript.

Gornig, M. & Geppert, K. (2004) „Die Renaissance der großen Städte“, Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, S. 49–52. Verfügbar unter https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Monatshefte/PDF/Beitrag04_01_11.pdf

Häußermann, H. & Siebel, W. (1987) Neue Urbanität, Frankfurt am Main, Suhrkamp.


Im Kontext der aktuellen Wohnungsnot äußerste Olaf Scholz die Forderung nach neuen Stadtteilen: »Für ganz Deutschland kann man sagen: Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meistgefragten Städten und Regionen – so wie in den Siebzigerjahren« (Olaf Scholz 2023). Das Projekt soll fragen, ob diese historischen Planungsvorhaben das Potenzial besitzen, die drängenden Wohnungsfragen der Gegenwart zu beantworten ohne dabei den sozialen, infrastrukturellen und ökologischen Fallstricken der Vergangenheit zum Opfer zu fallen.

Die Teilnehmer:innen des Projekts werden dafür auch einen Blick in die Vergangenheit werfen. Im Fokus stehen die Entwicklung der Quartiere und deren ursprüngliche Planungsabsicht. Dafür sollen Siedlungen ab den 50er Jahren bis zu Bauvorhaben der frühen 2000er betrachtet werden. Ziel ist es, eine Abgrenzung der historischen, sozialen und baulichen Entwicklungen nach Jahrzehnten (50er, 60-70er, 80er, 90er-00er) sowie zwischen Ost- und Westdeutschland zu entwickeln und deren verschiedenen Zustände, Potenziale und Probleme in der Gegenwart und für die Zukunft herauszuarbeiten.

Das Vorgehen im Projekt beinhaltet, dass kleinere Gruppen sich eine oder mehrere Großwohnsiedlungen nach diesen Kriterien auswählen und dichte Beschreibungen der historischen, sozialen und baulichen Aspekte der Großwohnsiedlungen erstellen. Aus diesen Beschreibungen werden dann konkrete Forschungsfragen entwickelt, die sich beispielsweise auf das Verhältnis der gegenwärtigen sozialen und baulichen Situation im Vergleich mit den Planungsvorhaben, die Verfolgung von Leitbildern, die Entwicklung der sozialen Komposition und die Gestaltung nachbarschaftlicher Gemeinschaften vor Ort konzentrieren. Die abschließende Analyse der Forschungsergebnisse wird dazu dienen, die Chancen, Potenziale und Probleme der Großwohnsiedlungen sowie ihrer Planungsgrundlagen für die zukünftige Stadtentwicklung zu vergleichen, zu systematisieren und einzuschätzen. Das Projekt steht ASL-Studierenden im fortgeschrittenen Bachelor sowie im Master (für S-Studierende in den Vertiefungen NRE und BSM) offen.


Ziel ist es, in grundlegende Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung einzuführen und diese bezüglich raumbezogener Forschungsfragen anzuwenden. Erworben werden soll die Fähigkeit, eine wissenschaftliche Fragestellung zu entwickeln und eigenständig in einem geeigneten empirischen Forschungsdesign umzusetzen. Im Besonderen sollen folgende Inhalte vermittelt werden:

  • Grundbegriffe empirischer Sozialforschung sowie der Stadt- und Regionalforschung
  • Konzeption eines Forschungsprozesses: Entwicklung einer Fragestellung, Methodenwahl, Umsetzung und Auswertung
  • Qualitative und quantitative Erhebungsmethoden: Qualitatives Interview, Fokusgruppen, (nicht-)teilnehmende Beobachtung, standardisierte Befragung
  • Verfahren der (softwaregestützten) qualitativen und quantitativen Datenanalyse
  • Nutzung bestehender quantitativer und qualitativer Datensätze

 

Grundlagenliteratur:

Diekmann, Andreas 2007: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen

Thome, Helmut 2007: Methoden der Sozialforschung. In Lehrbuch der Soziologie, hrsg. von Hans Joas, S. 39–71


Die Stadt ist zugleich ein konkreter und vager Gegenstand. Jede:r hat ein klares Bild vor Augen, das von verschiedenen Aspekten geprägt ist: etwa von der Baustruktur, der Dichte von Menschen und Infrastrukturen oder schlicht der Lage und Größe. Aber auch der Lebensstil von Städter:innen in Abgrenzung zu Vorstadt- oder Landbewohner:innen wird oft herangezogen. Letztlich wird das Bild von Stadt zwischen einzelnen Bürger:innen oder auch Wissenschaftsdisziplinen genau so viele Gemeinsamkeiten wie Unterschiede haben. Was also ist Stadt?

Das Einführungsprojekt widmet sich dieser Frage am Beispiel von Kassel. Welche Merkmale machen Stadt aus? Wo beginnt sie, wo endet sie? Wie unterscheidet sie sich von anderen Siedlungsräumen? Und wer lebt dort eigentlich wie? Die Studierenden werden sich zur Beantwortung dieser Fragen zunächst gemeinsam die theoretischen Grundlagen, den Forschungsstand sowie methodische Zugänge (etwa Beobachtungen, Befragungen, Interviews) erarbeiten. In Kleingruppen werden sie anschließend eigenständige empirische Untersuchungen planen, in Feldforschung durchführen und schließlich auswerten. So soll schließlich ein vielfältiger Blick auf die Städtischkeit Kassels eine Antwort auf die Leitfrage des Einführungsprojektes ermöglichen.


Researching Otherwise: Pluriversal methods in landscape and urban research

Workshop /Blockseminar - 13 -17 May 2024

Lecturer: Dr. Nitin Bathla, Institute for Landscape and Urban Studies, ETH Zurich

 

Abstract:

Traditional boundaries within landscape and urban studies have often hindered interdisciplinary dialogue, sensory engagement, and imagination. "Researching Otherwise" seeks to explore the potential of employing sensory, collaborative, and restorative methodologies to create spaces for generating knowledge from diverse perspectives. These methodologies aim to bridge the gap between researchers and their subjects, fostering opportunities for transformative and regenerative futures.

The workshop will showcase innovative research methods including drawing, photography, sound recording, filmmaking, walking, and cartography. Through these approaches, participants will embark on journeys exploring multi-species environments, employing cinematic and performative modes of inquiry, uncovering hidden narratives within architectural spaces, and engaging in collaborative ethnographic studies with vulnerable communities.

Participants in the workshop will gain insights into creative research methodologies, opening up fresh avenues for comprehending and interacting with the built environment in meaningful and impactful ways.

 

References: Bathla, Nitin, Hg. Researching Otherwise: Pluriversal Methodologies for Landscape and Urban Studies. Zürich: gta Verlag, 2024

 

Target group: Interdisciplinary, including master and bachelor students from Architecture, Urban Planning, Landscape and Urban Studies as well as social scientists

 

Language: The seminar will be conducted in English – proficiency is not essential, however, a willingness to read and communicate in English is expected.