"Zerschlagt die Universität". Hochschulpädagogiken der 1970er Jahre

Lehrender: Dr. phil. Alexander Stumm


Die Gründung der Gesamthochschule Kassel 1971 und des Fachbereichs ASL 1973 findet in einem hochpolitisierten Umfeld statt. Studierende der TU Berlin postulieren auf einem Kongress 1967 “Alle Häuser sind schön, hört auf zu bauen”, Paulo Freire schreibt 1970 über die “Pädagogik der Unterdrückten”, Ivan Illich plädiert 1971 für die “Entschulung der Gesellschaft” und André Gorz fordert “Zerschlagt die Universität”. Das Seminar fragt, welche Ansätze von damals für die Ausbildung heute aktualisiert werden können.

Einleitend wird das Seminar den bildungspolitischen Rahmen der Zeit anhand der Lektüre einiger Grundlagentexte nachvollziehen. Die Bildungsreform ist aber nicht nur eine theoretische Wende, sondern vor allem ein Paradigmenwechsel in der Lehr- und Lernpraxis. Hauptteil des Seminars ist ein Oral History-Projekt, in dem ehemalige Studierende und Mitarbeitende über ihre Zeit an der Gesamthochschule Kassel interviewt werden. Die Erkenntnisse sollen in einem Audio-Format zugänglich gemacht werden. Integraler Bestandteil ist außerdem die Organisation des “Alumni-Talks” im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Uni Kassel am 31.05.23. Der zeitliche Hauptteil des Seminars findet deshalb in den Vorbereitungs-Monaten April und Mai statt. Der Besuch der Fusion Gesprächsreihe wird empfohlen.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (...)“ – so heißt es in Artikel 4, Absatz 2 im Grundgesetz. Besitz untersteht also der sogenannten Sozialpflichtigkeit. Doch die Realität in deutschen Städten ist eine andere: Wohnraum ist zu einem Luxusgut avanciert und kommt als Ware, als Spekulationsobjekt mit Renditeversprechen nur einigen Wenigen zugute.

Im Seminar soll es weniger um die politischen Hintergründe der Besitzfrage gehen, sondern vielmehr um die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser. Wir widmen uns aus Perspektive der besonders von Verdrängungsprozessen geplagten Gruppen der Fragen: Was bedeutet Zuhause? Ist es reiner Schutzraum oder Ausdruck und Treiber der eigenen Stellung im sozialen Gefüge der Stadt? Kann Architektur bzw. Stadt zugleich Ware und Gemeingut sein? Und welche Rolle kann Architektur spielen, um das Gefühl der Zugehörigkeit und der Integration zu stärken?

Erster Termin: 21.4., 10:00 Uhr, Forschungsstation Traces, Lutherplatz

14-täglich, freitags, 10:00 bis 14:00 Uhr       


12 x forschender Aktivismus

Lucius Burckhardts Lehrforschungsprojekte 1973 – 1993

 Lucius Burckhardt verlies immer wieder mit den Studierenden den Campus der Hochschule und intervenierte in Stadt und Landschaft, um zu neuen Sichtweisen zu kommen. Die daraus hervorgehenden Aktionen forderten etablierte Strukturen und Denkweisen heraus und machten performativ alternative Positionen sichtbar.

Aufbauend auf den Ergebnissen eines Rechercheseminar im Sommersemester 2021 entwickeln wir im Rahmen des Seminars einen Katalog und eine Ausstellung und für die Ausstellungsreihe des Fachbereichsjubiläum, welche zu Beginn des Wintersemesters  2023 eröffnet.

 Zum einen Bedarf es der Konzeptionalisierung der vorliegenden Rechercheergebnisse und deren textlichen, visuellen und szenografischen Aufarbeitung, zum anderen ergänzender, aber auch neuer Recherchen.

Ziel des Seminars ist also eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Positionen von Lucius Burckhardt,  zum anderen die Aufbereitung von Inhalten für Ausstellung und Katalog

Das Seminar findet während des Semesters alle zwei Wochen statt. Zudem ist Vorbereitung und Umsetzung der Ausstellung gefordert, die am Di. 17.10. eröffnet. Bei Interesse besteht die Möglichkeit, den Arbeitsumfang auf 6 Credits zu erweitern.

Anmeldung über Seminareinwahl ATH

Erster Termin: Donnerstag 13.4. 10.00, in der Forschungstation TRACES am Lutherplatz


Stadttheorie der Moderne

 Ausgehend von einer kurzen Skizze der Entstehung des modernen Städtebaus seit dem 19. Jahrhundert fokussiert die Vorlesung ausgewählte Positionen von entwurfsorientierten Theorien der Stadt von 1933 bis heute (u.a. CIAM, Jane Jacobs, Aldo Rossi, Venturi/Scott/Brown, Colin Rowe/ Rob Krier, Rem Koolhaas, Smart City u.a.). Ein Teil der Vorlesung fokussiert legendäre Traktakte wie Architektur der Stadt, Collage City oder Learning from Las Vegas, andere Vorlesung Themenfelder wie etwa Metabolismus und Urbizid.

Die Vorlesung stellt einerseits den jeweiligen theoretischen Ansatz vor wie auch Beispiele für dessen architektonisch-entwurfliche Umsetzung und Entwicklung. Nicht zuletzt wird die Rezeptionsgeschichte der Theorien skizziert und eine Einordnung aus heutiger Sicht vorgenommen.

Erster Termin: Mi 12. April 2023, 12.00

 


Wehrmachtsbaracke 260/9 - Geschichten Ausstellen – Augmented Reality als Design/ Build-Projekt

 2022 konnte das Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen/ Prof Philip Oswalt eine Wehrmachtspferdestallbaracke des Typs 260/9, wie er auch in zahlreichen Konzentrations- und Vernichtungslager des NS-Regimes (u.a. Auschwitz Birkenau) eingesetzt war, im bayrischen Hemau von einem Bauernhof erwerben und sichern. Ursprünglicher Standort dieses Exemplars war der benachbarte Wehrmachtstruppenübungsplatzes Hohenfels, auf dem sich das Strafgefangenenlager STALAG 383 für alliierte Kriegsgefangene befand. Die im Juli/ August 2022 demontierte Pferdestallbaracke wird demnächst im Freilandmuseum Oberpfalz in Kooperation mit der Universität Kassel wiedererrichtet.

Ziel des Projektes im Sommersemester 2023 ist die Entwicklung eines Gestaltungs- und Vermittlungskonzept für die wieder zu errichtende Wehrmachtspferdestallbaracke 260/9. Anders als in Freilichtmuseen und der Denkmalpflege sonst meist üblich ist hierbei vorgesehen, nicht eine bestimme Zeitschicht zu priorisieren, sondern verschiedene Zustände und Anwendungen des Bautyps zu veranschaulichen. So ist geplant, dass die Baracke äußerlich dem auf dem Bauernhof in Hemau 2022 vorgefundenen Zustand mit ihren verschiedenen Zeitschichten entspricht, im Inneren aber dem Universaltyp gemäß dessen Konzeption von 1943.

Wir sind interessiert an einer Form des Ausstellens, die dem Besucher verschiedene Zugänge ermöglicht und alternative Erzählweisen und Geschichtsbilder aufzeigt.

Dies soll auf drei Ebenen erfolgen:

A)   Dem physischen Objekt der Baracke, das nicht einer dominierenden Zeitstellung unterworfen wird, sondern das wie in einem Vexierbild mehrere Zeitzustände in einem Objekt verkörpert und so in seiner Bedeutung oszilliert.

B)   Mediale Vermittlung als Augmented Reality, bei der mit einem Hand-held-Device (etwa I-Pad, Smartphone) mehrere alternative Erscheinungsformen des Objektes veranschaulicht werden. Im Innenraum wie im Außenraum können verschiedene Zustände des Objektes - das heißt verschiedene Anwendungsfälle des Universaltyps, aber auch unterschiedliche Zeitphasen -  veranschaulicht werden.

C)  Inszenierung mittels Ausstattung: Auch wenn die Baulichkeit im Vordergrund stehen soll, kann der Innenraum auch als Infrastruktur des Ausstellens verstanden werden, in der verschiedene Szenografien wie auf einer Bühne zur Aufführung gebracht werden, etwa im zeitlichen Wechsel. Auch mit der sparsamen Verwendung von Objekten als Stolpersteine und Teaser, die auf verschiedene Geschichtsnarrative verweisen, gekoppelt an die Möglichkeiten der Augmented Reality, diese unterstützend.

Im Rahmen des Projektes soll von Studierenden verschiedene Vermittlungskonzeption und deren konzeptuelle, gestalterische und auch technische Ausformung entwickelt werden. Ein besonderen Schwerpunkt nimmt hierbei das Medium der Augmented Reality ein. Im Rahmen des Projektes sollen Konzeptionen einer Augment Reality Ausstellung entwickelt und auch prototypisch realisiert werden. Hierzu gehört deren Programmierung und Testung, zunächst in einem Proberaum in Kassel, dann auch vor Ort im Freilichtmuseum selbst. Für die Umsetzung wird mit dem AR/VR-Labor (WM Harun Fiazi) des Fachbereichs zusammengearbeitet

Erster Termin: Donnerstag, 13.4., 14.00, ASL-Neubau, Raum 2111